Johannes­­passion

Vita Clemens Liese (Evangelist)

Der aus Hannover stammende Tenor Clemens Liese begann seinen musikalischen Werdegang im Alter von sechs Jahren im Knabenchor Hannover. Bereits mit acht Jahren war er als Knabensolist in den Chichester Psalms von Leonard Bernstein zu hören.
Seit 2014 studiert er an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover, an welcher er zunächst mit dem Bachelor Gesang bei Prof. Markus Schäfer anfing, bevor er ab 2017 den Fächerübergreifenden Bachelor mit den Fächern Musik und Darstellendes Spiel studierte. Aktuell studiert er im Master Gesang bei Prof. Sabine
Ritterbusch, ebenfalls an der HMTMH.
Clemens Liese ist regelmäßig als Solist in Oratorien zu hören, sein Repertoire reicht von Werken des Frühbarocks bis hin zur Moderne. Ihn prägt außerdem eine große Leidenschaft für den Liedgesang, insbesondere moderne und zeitgenössische Literatur sind hier Bestandteil seines Repertoires. Einen weiteren Schaffensschwerpunkt setzt Clemens Liese mit seiner Tätigkeit als Chor- und Ensemblesänger. So war er 2022 mit seinem Vokalquintett
beim Heidelberger Frühling zu erleben und sang 2022 in der Schola des Rundfunkchor Berlins. In der Saison 2022/23 war er Akademist beim RIAS-Kammerchor, wo er anschließend seitdem als freier Mitarbeiter tätig ist. Weiterhin
singt er in professionellen Chören wie z.B. dem Kammerchor Stuttgart, dem Chorwerk Ruhr oder dem Balthasar-Neumann-Chor.
Wichtige Impulse erhielt Liese in Meisterkursen, wie in Unterrichten von Anastasia Grishutina, Gerhard Faulstich, Christian Halseband sowie Brigitte Fassbaender. Er sang unter namenhaften Dirigenten wie Ingo Metzmacher, Kirill Petrenko, Jérémie Rhorer, Thomas Hengelbrock, Frieder Bernius und Lionel Sow.

Libretto

Erster Teil

1 CHOR

Herr, unser Herrscher,
dessen Ruhm in allen Landen herrlich ist.
Zeig uns durch deine Passion,
daß du, der wahre Gottessohn,
zu aller Zeit,
auch in der größten Niedrigkeit,
verherrlicht worden bist.

2a REZITATIV

Evangelist
Jesus ging mit seinen Jüngern über den Bach Kidron, da war ein Garten, darein ging Jesus und seine Jünger. Judas aber, der ihn verriet, wußte den Ort auch; denn Jesus versammlete sich oft daselbst mit seinen Jüngern. Da nun Judas zu sich hatte genommen die Schar und der Hohenpriester und Pharisäer Diener, kommt er dahin mit Fackeln, Lampen und mit Waffen. Als nun Jesus wußte alles, was ihm begegnen sollte, ging er hinaus und sprach zu ihnen:
Jesus
Wen suchet ihr?
Evangelist
Sie antworteten ihm:

2b CHOR

Jesum von Nazareth.

2c REZITATIV

Evangelist
Jesus spricht zu ihnen:
Jesus
Ich bin’s.
Evangelist
Judas aber, der ihn verriet, stund auch bei ihnen. Als nun Jesus zu ihnen sprach: Ich bin’s, wichen sie zurücke und fielen zu Boden. Da fragete er sie abermal:
Jesus
Wen suchet ihr?
Evangelist
Sie aber sprachen:

2d CHOR

Jesum von Nazareth.

2e REZITATIV

Evangelist
Jesus antwortete:
Jesus
Ich hab’s euch gesagt, daß ich’s sei, suchet ihr denn mich, so lasset diese gehen.

3 CHORAL

O große Lieb, o Lieb ohn alle Maße,
die dich gebracht auf diese Marterstraße,
ich lebte mit der Welt in Lust und Freuden,
und du mußt leiden.

4 REZITATIV

Evangelist
Auf daß das Wort erfüllet würde, welches er sagte: Ich habe der keine verloren, die du mir gegeben hast. Da hatte Simon Petrus ein Schwert und zog es aus und schlug nach des Hohenpriesters Knecht und hieb ihm sein recht Ohr ab, und der Knecht hieß Malchus. Da sprach Jesus zu Petro:
Jesus
Stecke dein Schwert in die Scheide, soll ich den Kelch nicht trinken, den mir mein Vater gegeben hat?

5 CHORAL

Dein Will gescheh, Herr Gott, zugleich
auf Erden wie im Himmelreich,
gib uns Geduld in Leidenszeit,
gehorsam sein in Lieb und Leid,
Wehr und steuer allem Fleisch und Blut,
Das wider deinen Willen tut.

6 REZITATIV

Evangelist
Die Schar aber und der Oberhauptmann und die Diener der Jüden nahmen Jesum und bunden ihn und führeten ihn aufs erste zu Hannas, der war Kaiphas Schwäher, welcher des Jahres Hoherpriester war. Es war aber Kaiphas, der den Jüden riet, es wäre gut, daß ein Mensch würde umbracht für das Volk.

7 ARIE

Von den Stricken meiner Sünden
mich zu entbinden,
wird mein Heil gebunden.
Mich von allen Lasterbeulen
völlig zu heilen,
läßt er sich verwunden.

8 REZITATIV

Evangelist
Simon Petrus aber folgete Jesu nach und ein ander Jünger.

9 ARIE

Ich folge dir gleichfalls mit freudigen Schritten
und lasse dich nicht, mein Leben, mein Licht.
Befördre den Lauf und höre nicht auf,
selbst an mir zu ziehen, zu schieben, zu bitten.

10 REZITATIV

Evangelist
Derselbige Jünger war dem Hohenpriester bekannt und ging mit Jesu hinein in des Hohenpriesters Palast. Petrus aber stund draußen für der Tür. Da ging der andere Jünger, der dem Hohenpriester bekannt war, hinaus und redete mit der Türhüterin und führete Petrum hinein. Da sprach die Magd, die Türhüterin, zu Petro:
Magd
Bist du nicht dieses Menschen Jünger einer?
Evangelist
Er sprach:
Petrus
Ich bin’s nicht.
Evangelist
Es stunden aber die Knechte und Diener und hatten ein Kohlfeuer gemacht (denn es war kalt) und wärmeten sich. Petrus aber stund bei ihnen und wärmete sich. Aber der Hohepriester fragte Jesum um seine Jünger und um seine Lehre. Jesus antwortete ihm:
Jesus
Ich habe frei, öffentlich geredet für der Welt. Ich habe allezeit gelehret in der Schule und in dem Tempel, da alle Juden zusammenkommen, und habe nichts im Verborgnen geredt. Was fragest du mich darum? Frage die darum, die gehöret haben, was ich zu ihnen geredet habe. Siehe, dieselbigen wissen, was ich gesaget habe.
Evangelist
Als er aber solches redete, gab der Diener einer, die dabei stunden, Jesu einen Backenstreich und sprach:
Diener
Solltest du dem Hohenpriester also antworten?
Evangelist
Jesus aber antwortete:
Jesus
Hab ich übel geredt, so beweise es, daß es böse sei, hab ich aber recht geredt, was schlägest du mich?

11 CHORAL

Wer hat dich so geschlagen,
mein Heil, und dich mit Plagen
so übel zugericht’,
du bist ja nicht ein Sünder
wie wir und unsre Kinder,
von Missetaten weißt du nicht.

Ich, ich und meine Sünden,
die sich wie Körnlein finden
des Sandes an dem Meer,
die haben dir erreget
das Elend, das dich schläget,
und das betrübte Marterheer.

11* ARIE

Himmel reiße, Welt erbebe,
Fallt in meinen Trauerton,
Sehet meine Qual und Angst,
Was ich, Jesu, mit dir leide
Ja zähle deine Schmerzen,
O zerschlagner Gottessohn,
Ich erwähle Golgatha vor dies schnöde Weltgebäude.
Werden auf den Kreuzeswegen deine Dornen ausgesät,
Weil ich in Zufriedenheit mich in deine Wunden senke,
So erblicke ich in dem Sterben, wenn ein stürmend Wetter weht,
Diesen Ort, dahin ich mich täglich durch den Glauben lenke,
Durch den Glauben mir deswegen schenke!

Jesu, deine Passion, ist mir lauter Freude,
Deine Wunden, Kron und Hohn meines Herzens Weide.
Meine Seel auf Rosen geht, wenn ich dran gedenke
In dem Himmel eine Stätt mir deswegen schenke!

* aus Version II von 1725 (BWV 245a)

12a REZITATIV

Evangelist
Und Hannas sandte ihn gebunden zu dem Hohenpriester Kaiphas. Simon Petrus stund und wärmete sich, da sprachen sie zu ihm:

12b CHOR

Bist du nicht seiner Jünger einer?

12c REZITATIV

Evangelist
Er leugnete aber und sprach:
Petrus
Ich bin’s nicht.
Evangelist
Spricht des Hohenpriesters Knecht einer, ein Gefreundter des, dem Petrus das Ohr abgehauen hatte:
Diener
Sahe ich dich nicht im Garten bei ihm?
Evangelist
Da verleugnete Petrus abermal, und alsobald krähete der Hahn. Da gedachte Petrus an die Worte Jesu und ging hinaus und weinete bitterlich.

13 ARIE

Ach, mein Sinn,
wo willt du endlich hin,
wo soll ich mich erquicken,
bleib ich hier,
oder wünsch ich mir
Berg und Hügel auf den Rücken?
Bei der Welt ist gar kein Rat,
und im Herzen
stehn die Schmerzen
meiner Missetat,
weil der Knecht den Herrn verleugnet hat.

14 CHORAL

Petrus, der nicht denkt zurück,
seinen Gott verneinet,
der doch auf ein ernsten Blick
bitterlichen weinet,

Jesu, blicke mich auch an,
wenn ich nicht will büßen,
wenn ich Böses hab getan,
rühre mein Gewissen.

Zweiter Teil

15 CHORAL

Christus, der uns selig macht,
kein Bös’ hat begangen,
der ward für uns in der Nacht
als ein Dieb gefangen,
geführt für gottlose Leut
und fälschlich verklaget,
verlacht, verhöhnt und verspeit,
wie denn die Schrift saget.

16a REZITATIV

Evangelist
Da führeten sie Jesum von Kaipha vor das Richthaus, und es war frühe. Und sie gingen nicht in das Richthaus, auf daß sie nicht unrein würden, sondern Ostern essen möchten. Da ging Pilatus zu ihnen heraus und sprach:
Pilatus
Was bringet ihr für Klage wider diesen Menschen?
Evangelist
Sie antworteten und sprachen zu ihm:

16b CHOR

Wäre dieser nicht ein Übeltäter, wir hätten dir ihn nicht überantwortet.

16c REZITATIV

Evangelist
Da sprach Pilatus zu ihnen:
Pilatus
So nehmet ihr ihn hin und richtet ihn nach eurem Gesetze.
Evangelist
Da sprachen die Jüden zu ihm:

16d CHOR

Wir dürfen niemand töten.

16e REZITATIV

Evangelist
Auf daß erfüllet würde das Wort Jesu, welches er sagte, da er deutete, welches Todes er sterben würde. Da ging Pilatus wieder hinein in das Richthaus und rief Jesu und sprach zu ihm:
Pilatus
Bist du der Jüden König?
Evangelist
Jesus antwortete:
Jesus
Redest du das von dir selbst, oder haben’s dir andere von mir gesagt?
Evangelist
Pilatus antwortete:
Pilatus
Bin ich ein Jüde? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet, was hast du getan?
Evangelist
Jesus antwortete:
Jesus
Mein Reich ist nicht von dieser Welt, wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darob kämpfen, daß ich den Jüden nicht überantwortet würde, aber nun ist mein Reich nicht von dannen.

17 CHORAL

Ach, großer König, groß zu allen Zeiten,
wie kann ich gnugsam diese Treu ausbreiten,
keins Menschen Herze mag indes ausdenken,
was dir zu schenken.

Ich kann’s mit meinen Sinnen nicht erreichen,
womit doch dein Erbarmen zu vergleichen,
wie kann ich dir denn deine Liebestaten
im Werk erstatten?

18a REZITATIV

Evangelist
Da sprach Pilatus zu ihm:
Pilatus
So bist du dennoch ein König?
Evangelist
Jesus antwortete:
Jesus
Du sagst’s, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt kommen, daß ich die Wahrheit zeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der höret meine Stimme.
Evangelist
Spricht Pilatus zu ihm:
Pilatus
Was ist Wahrheit?
Evangelist
Und da er das gesaget, ging er wieder hinaus zu den Jüden und spricht zu ihnen:
Pilatus
Ich finde keine Schuld an ihm. Ihr habt aber eine Gewohnheit, daß ich euch einen losgebe, wollt ihr nun, daß ich euch der Jüden König losgebe?
Evangelist
Da schrieen sie wieder allesamt und sprachen:

18b CHOR

Nicht diesen, sondern Barrabam!

18c REZITATIV

Evangelist
Barrabas aber war ein Mörder. Da nahm Pilatus Jesum und geißelte ihn.

19 ARIOSO

Betrachte, meine Seel, mit ängstlichem Vergnügen,
mit bittrer Lust und halb beklemmtem Herzen,
dein höchstes Gut in Jesu Schmerzen,
wie dir aus Dornen, so ihn stechen,
die Himmelsschlüsselblumen blühn,
du kannst viel süße Frucht von seiner Wermut brechen;
drum sieh ohn Unterlaß auf ihn.

20 ARIE

Erwäge, wie sein blutgefärbter Rücken
in allen Stücken
dem Himmel gleiche geht.
Daran, nachdem die Wasserwogen
von unsrer Sündflut sich verzogen,
der allerschönste Regenbogen
als Gottes Gnadenzeichen steht.

21a REZITATIV

Evangelist
Und die Kriegsknechte flochten eine Krone von Dornen und satzten sie auf sein Haupt und legten ihm ein Purpurkleid an und sprachen:

21b CHOR

Sei gegrüßet, lieber Jüdenkönig!

21c REZITATIV

Evangelist
Und gaben ihm Backenstreiche. Da ging Pilatus wieder heraus und sprach zu ihnen:
Pilatus
Sehet, ich führe ihn heraus zu euch, daß ihr erkennet, daß ich keine Schuld an ihm finde.
Evangelist
Also ging Jesus heraus und trug eine Dornenkrone und Purpurkleid. Und er sprach zu ihnen:
Pilatus
Sehet, welch ein Mensch!
Evangelist
Da ihn die Hohenpriester und die Diener sahen, schrieen sie und sprachen:

21d CHOR

Kreuzige, kreuzige!

21e REZITATIV

Evangelist
Pilatus sprach zu ihnen:
Pilatus
Nehmet ihr ihn hin und kreuziget ihn; denn ich finde keine Schuld an ihm.
Evangelist
Die Jüden antworteten ihm:

21f CHOR

Wir haben ein Gesetz, und nach dem Gesetz soll er sterben; denn er hat sich selbst zu Gottes Sohn gemacht.

21g REZITATIV

Evangelist
Da Pilatus das Wort hörete, fürchtet er sich noch mehr und ging wieder hinein in das Richthaus und spricht zu Jesu:
Pilatus
Von wannen bist du?
Evangelist
Aber Jesus gab ihm keine Antwort. Da sprach Pilatus zu ihm:
Pilatus
Redest du nicht mit mir? Weißest du nicht, daß ich Macht habe, dich zu kreuzigen, und Macht habe, dich loszugeben?
Evangelist
Jesus antwortete:
Jesus
Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht wäre von oben herab gegeben; darum, der mich dir überantwortet hat, der hat’s größre Sünde.
Evangelist
Von dem an trachtete Pilatus, wie er ihn losließe.

22 CHORAL

Durch dein Gefängnis, Gottes Sohn,
muß uns die Freiheit kommen,
dein Kerker ist der Gnadenthron,
die Freistatt aller Frommen;
denn gingst du nicht die Knechtschaft ein,
müßt unsre Knechtschaft ewig sein.

23a REZITATIV

Evangelist
Die Jüden aber schrieen und sprachen:

23b CHOR

Lässest du diesen los, so bist du des Kaisers Freund nicht; denn wer sich zum Könige machet, der ist wider den Kaiser.

23c REZITATIV

Evangelist
Da Pilatus das Wort hörete, führete er Jesum heraus, und satzte sich auf den Richtstuhl, an der Stätte, die da heißet: Hochpflaster, auf ebräisch aber: Gabbatha. Es war aber der Rüsttag in Ostern um die sechste Stunde, und er spricht zu den Jüden:
Pilatus
Sehet, das ist euer König!
Evangelist
Sie schrieen aber:

23d CHOR

Weg, weg mit dem, kreuzige ihn!

23e REZITATIV

Evangelist
Spricht Pilatus zu ihnen:
Pilatus
Soll ich euren König kreuzigen?
Evangelist
Die Hohenpriester antworteten:

23f CHOR

Wir haben keinen König denn den Kaiser.

23g REZITATIV

Evangelist
Da überantwortete er ihn, daß er gekreuziget würde. Sie nahmen aber Jesum und führeten ihn hin. Und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißet Schädelstätt, welche heißet auf ebräisch: Golgatha.

24 CHOR UND ARIE

Eilt, ihr angefochtnen Seelen,
geht aus euren Marterhöhlen,
eilt – Wohin? – nach Golgatha.
Nehmet an des Glaubens Flügel,
flieht – Wohin? – zum Kreuzeshügel,
eure Wohlfahrt blüht allda.

25a REZITATIV

Evangelist
Allda kreuzigten sie ihn, und mit ihm zween andere zu beiden Seiten, Jesum aber mitten inne. Pilatus aber schrieb eine Überschrift und satzte sie auf das Kreuz, und war geschrieben: “Jesus von Nazareth, der Jüden König”. Diese Übers chrift lasen viele Jüden; denn die Stätte war nahe bei der Stadt, da Jesus gekreuziget ist. Und es war geschrieben auf ebräische, griechische und lateinische Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Jüden zu Pilato:

25b CHOR

Schreibe nicht: der Jüden König, sondern daß er gesaget habe: Ich bin der Jüden König.

25c REZITATIV

Evangelist
Pilatus antwortet:
Pilatus
Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben.

26 CHORAL

In meines Herzens Grunde
dein Nam und Kreuz allein
funkelt all Zeit und Stunde;
drauf kann ich fröhlich sein.
Erschein mir in dem Bilde
zu Trost in meiner Not,
wie du, Herr Christ, so milde
dich hast geblut’ zu Tod.

27a REZITATIV

Evangelist
Die Kriegsknechte aber, da sie Jesum gekreuziget hatten, nahmen seine Kleider und machten vier Teile, einem jeglichen Kriegesknechte sein Teil, dazu auch den Rock. Der Rock aber war ungenähet, von oben an gewürket durch und durch. Da sprachen sie untereinander:

27b CHOR

Lasset uns den nicht zerteilen, sondern darum losen, wes er sein soll.

27c REZITATIV

Evangelist
Auf daß erfüllet würde die Schrift, die da saget: “Sie haben meine Kleider unter sich geteilet und haben über meinen Rock das Los geworfen”. Solches taten die Kriegesknechte. Es stund aber bei dem Kreuze Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, Kleophas Weib, und Maria Magdalena. Da nun Jesus seine Mutter sahe und den Jünger dabei stehen, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter:
Jesus
Weib, siehe, das ist dein Sohn.
Evangelist
Darnach spricht er zu dem Jünger:
Jesus
Siehe, das ist deine Mutter.

28 CHORAL

Er nahm alles wohl in acht
in der letzten Stunde,
seine Mutter noch bedacht,
setzt ihr ein Vormunde.
o Mensch mache Richtigkeit,
Gott und Menschen liebe,
stirb darauf ohn alles Leid,
und dich nicht betrübe.

29 REZITATIV

Evangelist
Und von Stund an nahm sie der Jünger zu sich. Darnach, als Jesus wußte, daß schon alles vollbracht war, daß die Schrift erfüllet würde, spricht er:
Jesus
Mich dürstet.
Evangelist
Da stund ein Gefäße voll Essigs. Sie fülleten aber einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Isopen und hielten es ihm dar zum Munde. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er:
Jesus
Es ist vollbracht.

30 ARIE

Es ist vollbracht,
o Trost vor die gekränkten Seelen,
die Trauernacht
läßt nun die letzte Stunde zählen,
der Held aus Juda siegt mit Macht
und schließt den Kampf.
es ist vollbracht.

31 REZITATIV

Evangelist
Und neiget das Haupt und verschied.

32 CHOR UND ARIE

Mein teurer Heiland, laß dich fragen,
da du nunmehr ans Kreuz geschlagen
und selbst gesagt, es ist vollbracht,
bin ich vom Sterben frei gemacht,
kann ich durch deine Pein und Sterben
das Himmelreich ererben.
ist aller Welt Erlösung da?
Du kannst vor Schmerzen zwar nichts sagen;
doch neigest du das Haupt
und sprichst stillschweigend Ja.

Jesu, der du warest tot,
lebest nun ohn Ende,
in der letzten Todesnot,
nirgend mich hinwende
als zu dir, der mich versühnt,
o du lieber Herre,
gib mir nur, was du verdient,
mehr ich nicht begehre.

33 REZITATIV

Evangelist
Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriß in zwei Stück von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebete, und die Felsen zerrissen, und die Gräber täten sich auf, und stunden auf viel Leiber der Heiligen.

34 ARIOSO

Mein Herz, in dem die ganze Welt
bei Jesu Leiden gleichfalls leidet,
die Sonne sich in Trauer kleidet,
der Vorhang reißt, der Fels zerfällt,
die Erde bebt, die Gräber spalten,
weil sie den Schöpfer sehn erkalten,
was willst du deines Ortes tun?

35 ARIE

Zerfließe, mein Herze, in Fluten der Zähren
dem Höchsten zu Ehren.
Erzähle der Welt und dem Himmel die Not,
dein Jesus ist tot.

36 REZITATIV

Evangelist
Die Jüden aber, dieweil es der Rüsttag war, daß nicht die Leichname am Kreuze blieben den Sabbat über (denn desselbigen Sabbats Tag war sehr groß), baten sie Pilatum, daß ihre Beine gebrochen und sie abgenommen würden. Da kamen die Kriegsknechte und brachen dem ersten die Beine und dem andern, der mit ihm gekreuziget war. Als sie aber zu Jesu kamen, da sie sahen, daß er schon gestorben war, brachen sie ihm die Beine nicht; sondern der Kriegsknechte einer eröffnete seine Seite mit einem Speer, und alsobald ging Blut und Wasser heraus. Und der das gesehen hat, der hat es bezeuget, und sein Zeugnis ist wahr, und derselbige weiß, daß er die Wahrheit saget, auf daß ihr gläubet; denn solches ist geschehen, auf daß die Schrift erfüllet würde: “Ihr sollet ihm kein Bein zerbrechen.” Und abermal spricht eine andere Schrift: “Sie werden sehen, in welchen sie gestochen haben.”

37 CHORAL

O hilf, Christe, Gottes Sohn,
durch dein bitter Leiden,
daß wir dir stets untertan
all Untugend meiden,
deinen Tod und sein Ursach
fruchtbarlich bedenken,
dafür, wiewohl arm und schwach,
dir Dankopfer schenken.

38 REZITATIV

Evangelist
Darnach bat Pilatum Joseph von Arimathia, der ein Jünger Jesu war (doch heimlich, aus Furcht vor den Jüden), daß er möchte abnehmen den Leichnam Jesu. Und Pilatus erlaubete es. Derowegen kam er und nahm den Leichnam Jesu herab. Es kam aber auch Nikodemus, der vormals bei der Nacht zu Jesu kommen war, und brachte Myrrhen und Aloen untereinander bei hundert Pfunden. Da nahmen sie den Leichnam Jesu, und bunden ihn in leinen Tücher mit Spezereien, wie die Jüden pflegen zu begraben. Es war aber an der Stätte, da er gekreuziget ward, ein Garte, und im Garten ein neu Grab, in welches niemand je geleget war. Daselbst hin legten sie Jesum, um des Rüsttags willen der Jüden, dieweil das Grab nahe war.

39 CHOR

Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine,
die ich nun weiter nicht beweine,
ruht wohl und bringt auch mich zur Ruh.
Das Grab, so euch bestimmet ist,
und ferner keine Not umschließt,
macht mir den Himmel auf und schließt die Hölle zu.

40 CHORAL

Ach Herr, laß dein lieb Engelein
am letzten End die Seele mein
in Abrahams Schoß tragen,
den Leib in sein’m Schlafkämmerlein
gar sanft, ohn einge Qual und Pein,
ruhn bis am jüngsten Tage.
Alsdenn vom Tod erwecke mich,
daß meine Augen sehen dich
in aller Freud, o Gottes Sohn,
mein Heiland und Genadenthron,
Herr Jesu Christ, erhöre mich, erhöre mich,
ich will dich preisen ewiglich.


DIESES PROJEKT WIRD GEFÖRDERT DURCH: